Hintergründe, Fahrzeuge, Menschen
Ein Emir fuhr mit dem PostAuto-Dreiklanghorn durch Nigeria
Das Posthorn hatte vor 60 Jahren einen überraschenden Auslandeinsatz in Afrika. Ein Emir aus Nigeria montierte das Dreiklanghorn an seinen Cadillac – so wurde es dort mehrere Jahre lang zum Sound der Macht.
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Muhamadu Sanusi I regierte das Emirat Kano in Nordnigeria von 1954 bis 1963. In dieser Zeit lebte der heute 69-jährige Schweizer Martin Zutt als Knabe mit seinen Eltern Heidi und Peter und seinen beiden Schwestern in dieser Gegend. Seine jüngere Schwester Liza und er wurden in Nigeria geboren. Denn sein Vater leitete die Niederlassung der Handelsfirma UTC in Kano. Diese handelte mit allem Möglichen, darunter Werkzeug, Bernina-Nähmaschinen, Uhren, Lastwagen von MAN und Autos von GM, also Cadillac, Chevrolet, Pontiac, Opel und so weiter.
Emir Muhamadu Sanusi liess sich stets in einem Cadillac chauffieren, den er via Peter Zutt bestellt hatte. «Irgendwann Ende der 50er-Jahre muss der Emir entweder in der Schweiz gewesen sein oder einen Film über die Schweiz gesehen haben. Jedenfalls hörte er das Postautohorn und wollte ein solches Original an seinem Cadillac haben», erzählt Martin Zutt, der heute in Eggersriet SG wohnt. Sein Vater wurde also beauftragt, ein solches Horn zu besorgen, was ihm via den Basler UTC-Hauptsitz gelang. Das Posthorn wurde nach Kano geliefert, und Peter Zutt liess es von einem Schweizer Mechaniker im hellblauen Emir-Cadillac einbauen. «Nun hörte die Bevölkerung von Kano immer schon von weitem das Dü-Da-Do, wenn der Emir wieder einmal mit seinem Tross unterwegs war. Sie knieten nieder, sobald sie den Dreiklang hörten», erinnert sich Martin Zutt.
Das Erlebnis der Mechaniker-Gattin
Auch Peter Boesch aus Schiers GR ist die nigerianische Posthorn-Ära bestens bekannt. Zur gleichen Zeit wie die Zutts lebte auch seine Schwester Maja Conzett mit ihrem Mann Christian in Kano. Peter Boesch erzählt das Erlebnis seiner Schwester folgendermassen: «Meine verstorbene Schwester hat 1956 einen Prättigauer Automechaniker geheiratet und ist mit ihm nach Kano (Nigeria) gezogen. In der ersten Nacht in Afrika hat sie geträumt, sie sitze in einem Postauto in den Bündner Bergen und höre das heimelige Dreiklanghorn. Darob erwacht, tönte es weiter Dü-Da-Do. Als sie ihrem frisch angetrauten Ehemann Christian von diesem Traum erzählte, lachte er und sagte: Das war kein Traum. Ich habe vor kurzem dem Emir von Kano, Muhammadu Sanusi I, ein Dreiklanghorn in seinen Cadillac eingebaut.»
Verkehrte Welt
Eine überraschende Geschichte: Während das Horn auf den Schweizer Bergpoststrassen seit genau 100 Jahren den Gegenverkehr warnt, war es in Kano ein paar Jahre lang das klingende Synonym der Macht – auch für Martin Zutt. Denn seine Eltern erzählten ihm folgende Episode: «Als ich als kleiner Junge in der Schweiz in den Ferien das Dü-Da-Do hörte, rief ich ganz aufgeregt: Der Emir kommt, der Emir kommt!»
Es ist davon auszugehen, dass die nigerianische Posthorn-Ära bis 1963 dauerte, als die Regierungszeit von Muhamadu Sanusi I endete. Bei Martin Zutt, der seit 60 Jahren in der Schweiz lebt, klingt sie bis heute nach: Er verbindet die Postautofahrten in den Bergen noch immer mit seiner frühen Kindheit in Nigeria.